Seitdem sich die Antifa als eigenständiger Akteur linker Politik konstituiert hat, ist sie mit Repression konfrontiert. Dies ist auch kaum verwunderlich. Effektiver antifaschistischer Selbstschutz kann die Wahl seiner Mittel nicht am staatlichen Gewaltmonopol orientieren. Und eine antifaschistische Bewegung, die sich als Teil weltweiter Kämpfe für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung versteht, muss früher oder später mit dem Staatsapparat in Konflikt geraten.
Im Vorfeld der Antirepressionsdemo am 22. März in Berlin wollen wir in diesem Text(e) Schlaglichter auf 25 Jahre Repression gegen Antifa-Strukturen in der BRD werfen. Die dargestellten Fälle können dabei nur beispielhaft bleiben. Die Repression gegen unsere Projekte waren genauso vielfältig wie unser Widerstand. Wir beschränken uns dabei in diesem Text weitgehend auf die „spektakulären“ Fälle: auf Repression, die eine breite Öffentlichkeit und/oder vielfältigen Widerstand ausgelöst hat, die durch ihre Qualität hinaussticht, die spannend zu erzählen ist. Dabei kommt der repressive Alltag leider zu kurz: die regelmäßigen Prügelorgien der Bullen auf unseren Demos, die unzähligen Anquatschversuche, die Anzeigen wegen Widerstand und Verstoß gegen das Vermummungsverbot und so weiter. Trotzdem hoffen wir mit diesem Rückblick unseren Blick ein wenig weiten und für die Zukunft schärfen zu können.
Antifa? Dass ist doch kriminell
Antifaschistische Organisierung war dem Staat früh ein Dorn im Auge. Ab Dezember 1993 ermittelt die Göttinger Staatsanwaltschaft gegen die Autonome Antifa [m] zunächst als „terroristische“ (§129a), später als „kriminelle Vereinigung“ (§129). Die Antifa [m] hatte sich 1990 in Göttingen gegründet und die Organisierung der Antifa in der Antifaschistischen Aktion / Bundesweiten Organisierung (AA/BO) massgeblich vorangetrieben. Die Staatsanwaltschaft warf der Antifa [m] vor allem vor, Demonstrationen nicht angemeldet und stattdessen einen Schwarzen Block organisiert zu haben. Fünf Jahre und etliche Überwachungsmaßnahmen später wurde das Verfahren schließlich eingestellt. Im Gegenzug mussten die Anwält_innen der 17 Angeklagten erklären, dass sie ihre „Mandanten über die Bestimmungen des Versammlungsrechts eingehend informiert [haben]. Die Mandantinnen und Mandanten haben ihrerseits erklärt, die Bestimmungen des Versammlungsrechts zukünftig zu berücksichtigen.“ (?)
Immer wieder Mord
Körperliche Auseinandersetzungen mit Neonazis sind leider ebenso problematische, wie häufig notwendige Mittel um Nazis im öffentlichen Raum zurückzudrängen und ihre „Führer_innen“ unmittelbar zur Rechenschaft zu ziehen. Nach breiten Diskussionen in antifaschistischen Strukturen hat sich Anfang der 1990er schnell ein Konsens herausgeschält, dass bei den Auseinandersetzungen Tote vermieden werden sollten und – zumindest in der aktuellen gesellschaftlichen Situation – eine gezielte Tötung ihrer „Kader_innen“ nicht angemessen ist. Nichts desto trotz haben Staatsanwaltschaften nach Angriffen auf Nazi-Kader_innen mehrmals wegen versuchtem Totschlag oder gar Mord ermittelt.
Im April 1992 starb bei einer solchen Auseinandersetzung der Neonazi Gerhard Kaindl. Dieser hatte sich mit weiteren Führungspersönlichkeiten der berliner Nazi-Szene in einem Neuköllner Resturant getroffen. Eine Gruppe Antifaschist_innen stürmte das Lokal und griff sie an. Im Zuge des Angriffes wurde Kaindl mit einem Messer tödlich verletzt. Das berliner LKA konzentrierte ihre Mordermittlungen auf Mitglieder und Umfeld der migrantischen Antifa-Gruppe Antifasist Gençlik (?). Mehrere Antifaschist_innen mussten untertauchen, andere saßen mehrere Monate lang in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft stützte ihre Ermittlungen primär auf die Aussagen eines während der Vernehmungen psychisch Verwirrten Angeklagten, die selbst vom Gericht später als nicht verwertbar eingestuft wurden. Nichts desto trotz wurden drei Genoss_innen wegen Körperverletzung mit Todesfolge – wie es im Jurist_innendeutsch heißt – zu drei Jahren Knast verurteilt, zwei weitere zu Bewährungsstrafen. Die Antifasist Gençlik löste sich im Zuge des Verfahrens auf.
Später hat der politische Staatsschutz in Hamburg und Berlin gezeigt, dass sie für das Konstrukt eines versuchten Totschlag/ Mordes nicht mal einen toten Nazi brauchen. Ende 2007 werden die berliner Neonazis Sebastian Zehlecke und Stefanie Piehl in ihrer angestammten Homezone in Berlin Lichtenberg angegriffen und leicht verletzt. Kurz nach dem Angriff meldeten sich Zehlecke bei den ermittelnden Beamten und präsentierte ihnen ein Foto eines berliner Antifaschisten aus seiner Anti-Antifa-Kartei. Er habe diesen zweifelsfrei als einen der Angreifer erkannt. Dankbar über dieses Angebot beantragte das LKA schleunigst einen Haftbefehl. Für den betroffenen Genossen sollten 3 1/2 Monate U-Haft folgen. Verurteilt wurde er schließlich wegen Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe – bei der Hausdurchsuchung hatten die Beamten einen Teleskopschlagstock in seinem Briefkasten gefunden. (?)
Zwei Jahre zuvor hatte das potsdamer LKA ähnlich absurde Ermittlungen gegen fünf Potsdamer Antifaschist_innen geführt. Ein Neonazi mit Platzwunde reichte für eine Anklage wegen versuchtem Mord und brachte einer Genossin fünf Monate U-Haft ein. Die Lokalpresse halluzinierte aus der zu dieser Zeit akuten neonazistische Bedrohung in Potsdam eine „Gewaltspirale“ herbei. Schließlich reichte es nur für eine Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung. (?)
Noch absurder Trieb es der Staatsschutz in Baden-Württemberg. Nach einer Prügelorgie des USK gegen eine Demonstration gegen den Naziterror des NSU und für die Abschaffung des Verfassungsschutz in Nürnberg wurde ein Antifaschist wegen versuchtem Totschlag angeklagt und für 14 Monate in U-Haft gesperrt, weil er einen Polizisten mit einer Fahnenstange geschlagen haben soll. Die Aussagen zweier Bullen reichten dem Gericht, um ihn schließlich wegen Körperverletzung zu zwei Jahren auf Bewährung zu verurteilen. (?)
Ähnliches droht in Stuttgart, wo aktuell ein Antifaschist wegen der erfolgreichen Verhinderung des Nazi-Aufmarsch in Dresden 2011 wegen zweifachem versuchtem Mord angeklagt ist. Er soll Polizeibeamte mit Leuchtspurmunition beschossen haben. (?)
Verbieten und verhindern
Neben einzelnen Strukturen und Personen zielt die Repression manchmal auch gleich darauf ganze Aktionen unmöglich zu machen. Immer wieder werden antifaschistische Demonstrationen verboten oder die Auflagen so geschnürt, dass es einem Verbot gleichkommt. So auch 1997 in Saalfeld, wo ein breites Bündnis „gegen den rechten Konsens“ demonstrieren wollte. Nach einer medialen Hetzkampagne wurde die Antifa-Demo schließlich verboten. Da sich die Antifaschist_innen dadurch nicht ihr Demonstrationsrecht nehmen lassen wollten, riegelte die Polizei kurzerhand Saalfeld weitreichend ab. Straßensperren, an den auch Bundesgrenzschützer (mittlerweile Bundespolizei) mit Maschinen Aufstellung bezogen, sollten das Vordringen von Antifaschist_innen in die rechte Provinz verhindern. Anreisende Antifaschist_innen blockierten daraufhin über mehrere Stunden die A9 in beide Richtungen. (?)
Fazit
So vielfältig diese Beispiele auch sind, können sie doch nur einen kleinen Teil des Spektrums staatlicher Repression gegen antifaschistische Aktivist_innen, Strukturen und Aktionen darstellen. Wir hoffen mit diesem Überblick ein Interesse an unserer eigenen Geschichte geweckt zu haben. Noch mehr liegt uns jedoch am Herzen, diesen Rückblick zu nutzen, um uns mit der Gegenwart und möglichen Zukunft staatlicher Repression gegen uns zu beschäftigen. Wir werden immer wieder mit dem Staatsapparat in Konflikt geraten. Seien wir darauf vorbereitet.
Repression lauert überall, wir auch
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Autonome Antifa Berlin: a2berlin.org
Antifa-Aufruf zur Demonstration „Unsere Solidarität gegen ihre Repression“ am 22. März in Berlin: Die Repression lauert überall, wir auch!
Webseite des Vorbereitungsnetzwerk zur Demonstration: antirep2014.noblogs.org