Heute Nacht haben wir der zentralen Geschäftsstelle der Berliner-Verkehrsgesellschaft (BVG) einen Besuch abgestattet. Mit Pflastersteinen wurden zahlreiche Scheiben zerstört und zudem der von erwischten Schwarzfahrer_innen zu nutzende Eingang mit reichlich Farbe eingedeckt. Gegen zu eilig anrückende Schweine hatten wir uns zuvor mit Krähenfüßen abgesichert.
Mit unserer Aktion richten wir uns gegen eine Ordnung, in der aus dem Zwang zur und dem Bedürfnis nach Mobilität Kapital geschlagen wird und all jene, die sich dieser Verwertung entziehen, die repressive Keule erfahren.
In Metropolregionen wie Berlin ist der öffentliche Nahverkehr keine Dienstleitung unter vielen, sondern eines der essentiellsten Zahnräder der kapitalistischen Stadt. Tagtäglich nutzen Hunderttausende die Busse und (Straßen)Bahnen von BVG und Berliner S-Bahn. Wir sind auf sie angewiesen wenn wir zu unserem Arbeitsplatz, Arzt, Amt oder der Maßnahme des Jobcenters müssen. Ohne Nahverkehr wäre der städtische Normalbetrieb schon lange nicht mehr denkbar. Doch immer mehr Menschen in Berlin und anderswo können sich diese Art der Fortbewegung nicht mehr leisten oder müssen dank regelmäßiger Fahrpreiserhöhungen einen wachsenden Teil ihres Lohns dafür aufwenden, überhaupt ersteinmal zu Arbeit zu kommen. Schwarzfahren wird damit unweigerlich zum Massenphänomen: In Berlin wurden letztes Jahr nach Angaben von BVG und S-Bahn über 550.000 mal Menschen ohne Ticket erwischt.
Wo aber die Zahl derer steigt, für die das Fahren ohne Ticket aus ökonomischen Zwängen heraus zum Alltag wird, da geraten auch immer mehr Menschen ohne es zu beabsichtigen in Konflikt mit der bestehenden Ordnung und ihrem Verwalter, dem Staat. Die für die Aufrechterhaltung der Verwertung nötige Kriminalisierung von Schwarzfahrer_innen führt mittlerweile dazu, dass in manchen Knästen ein Drittel der Gefangenen aufgrund von „Beförderungserschleichung“ einsitzt. Die Brüche mit dem Bestehenden, die dadurch bereits heute verursacht werden und die sich in Zukunft noch vermehren dürften, sollten nicht unterschätzt und verstärkt zum Gegenstand emanzipatorischer Politik gemacht werden.
Mit Abscheu blicken wir auf die zahllosen Übergriffe von Kontrolleur_innen und Securities auf Menschen ohne Ticket, von denen nur die wenigsten überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Zurzeit sind 192 Kontrollettis bei BVG und S-Bahn beschäftigt, bald wird diese Zahl auf 220 erhöht, 100 davon externe Angestellte der WISAG. Weitere 215 Securities sind zusätzlich in Zügen und auf Bahnhöfen unterwegs und dürfen auch nach Tickets fragen. Ob bei BVG oder S-Bahn; der autoritäre Charakter dieser Möchtegernbullen ist für jede_n ersichtlich, der_die bereits einmal mit ansehen musste, mit welcher Freude und Selbstverständlichkeit sie Menschen erniedrigen und bedrohen, die ihnen in die Fänge geraten. Und wenn sich doch einmal gewehrt wird, rufen sie ihre insgeheimen Vorbilder und können sich dann kurz so fühlen als hätten sie die Aufnahmeprüfung der Bullen damals doch bestanden.
Wir erinnern hier, stellvertretend für alle Übergriffe, an den 17.01.2014, als eine Gruppe von Papierlosen und O-Platz-Aktivist_innen von mehreren Dutzend Bullen und BVG-Securities am Hermannplatz und später auf der Wache misshandelt wurden weil ihr Ticket erst 5 Minuten später gültig gewesen wäre.
Praktische Solidarität mit den Betroffenen der Kontrollettis und ihrer Allmachtsphantasien ist nicht nur dringend geboten, sondern ermöglicht den Erwischten in den meisten Fällen ein Verlassen der Situation ohne Bußgeld und Personalienabgabe. Auch wenn es ein Irrglaube ist, dass sie Menschen nicht festhalten dürften (Fahren ohne Ticket wird als Straftat verfolgt), erfordert ein Einschreiten keineswegs körperliche Gewalt.
Dennoch freuen wir uns natürlich über jeden Kontrolletti, der auch körperlich in seine Schranken verwiesen wird und ganz besonders über die Anschläge auf die WISAG in Berlin und Frankfurt letzte Woche. Zu den Machenschaften dieses Unternehmens, das auch die Securities und Kontrollettis der BVG stellt, haben die Genoss_innen in ihren Erklärungen bereits Stellung bezogen.
Im Vorfeld der Anti-Repressionsdemo am Samstag, den 22.3., möchten wir an dieser Stelle auch noch einmal auf die Rolle aufmerksam machen, die die BVG bei der Normalisierung von Kameraüberwachung in unserem Alltag spielt. Jede Straßenbahn, jeder Linienbus und jede U-Bahn Berlins sind von der BVG mit Kameras ausgerüstet. Jeder U-Bahnhof wird überwacht, eine wachsende Zahl davon bereits mit hochauflösenden Kameras. Die Bilder werden gespeichert und die Bullen haben ungehinderten Zugriff.
An manchen Orten, wie beispielsweise dem Kottbusser Tor, sitzt ein Beamter der Berliner Polizei permanent hinter den Kameras der BVG.
Wie sehr dieser Umstand von großen Teilen der Bevölkerung bereits akzeptiert wird, ist erschreckend.
Von Repression betroffen ist nicht nur (und auch nicht an erster Stelle) politischer Aktivismus, sondern es sind insbesondere all jene, die unabsichtlich aber doch gezwungenermaßen mit der kapitalistischen Ordnung in Konflikt geraten.
Auch um dies vor Samstag noch einmal zu verdeutlichen, haben unsere Steine die BVG getroffen.
Beteiligt euch am bundesweiten Aktionstag gegen Repression am 22.März in Berlin:
Angemeldete Kundgebung und Demonstration – 16 Uhr [U] Turmstraße
Unangemeldete Demo – 22 Uhr (Ort wird bekanntgegeben)
autonome gruppe Thanassis Kanaoutis